Befreiung am Ende? Am Ende Befreiung! Feministische Theorie, feministische Theologie und die politischen Implikationen
9. internationale ESWTR-Konferenz 2001 in Salzburg
9. Internationale Konferenz der ESWTR, Salzburg (Bildungshaus St. Virgil), 19. - 23. August 2001
Presseinformation, 23. August 2001:
Feministische Erneuerung religiöser Traditionen
9. internationale Konferenz der Europäischen Gesellschaft für Frauen in theologischer Forschung in Salzburg macht gesellschaftliche Relevanz feministischer Theologie deutlich. - Referate und Diskussionen zeigen vielfältige feministische Zugänge zu Theologie und Spiritualität. - Resolution zu Bibelübersetzungen und Liturgieinstruktion verabschiedet. - Österreichische Theologin Irmtraud Fischer ist neue Präsidentin.
160 Theologinnen aus 27 Ländern, darunter christliche Theologinnen unterschiedlicher Konfessionen, sowie jüdische und muslimische Theologinnen, kamen von 19.-23. August 2001 zur 9. Internationalen Konferenz der Europäischen Gesellschaft für Frauen in theologischer Forschung nach Salzburg, um über politische Implikationen feministischer Theologien und Theorien zu diskutieren.
In Referaten und Diskussionen zeigten sich die Theologinnen entschlossen, religiöse Traditionen aus unterschiedlichen kritisch-feministischen Perspektiven fortzuschreiben und zu erneuern und theologische Inhalte mit gesellschaftlicher Relevanz zu formulieren.
Unübersehbar hat die Arbeit feministischer Theologinnen in den letzten Jahrzehnten zu Aufbrüchen und Erneuerungen der Religionen geführt. In einer gemeinsamen Resolution zu neuen christlichen Bibelübersetzungen und zur jüngsten römisch-katholischen Liturgieinstruktion, sowie einem offenen Solidaritätsbrief an die ökumenische Frauenordinationsbewegung WOW warnen die Theologinnen die Kirchenleitungen davor, Erkenntnisse feministischer Theologie weiterhin zu ignorieren und damit immer mehr an Glaubwürdigkeit zu verlieren.
Verantwortung für und Erneuerung von Tradition
Die jüdische Theologin und Rabbinerin der Wiener Or Chadasch Gemeinde, Eveline Goodman-Thau, die die Konferenz gemeinsam mit der Salzburger Superintendentin Luise Müller und dem Dekan der Salzburger Theologischen Fakultät Friedrich Schleinzer eröffnete, ermutigte die anwesenden Frauen, die Verantwortung für die Tradition zu übernehmen und dabei nicht auf die Anerkennung der Institution zu warten. Es ginge nicht länger darum, über Rollen und Rechte zu diskutieren, sondern nach eigenen Regeln mitzubestimmen.
Die in Schottland lehrende argentinische Theologin Marcella Althaus Reid zeigte in ihrem Referat die fehlende Auseinandersetzung mit dem sexuellen Kontext theologischer Ansätze auf und übte scharfe Kritik an einem theologischen System, das Menschen aufgrund ihres sexuellen Lebensstils negiert.
Die us-amerikanische Theologin Lucy Tatman, die zuletzt an der Central European University in Budapest lehrte, forderte ihre Kolleginnen auf, nicht aufzuhören theologisches Wissen zu produzieren, "das Leben verändert".
Vielfältige Zugänge zu Theologie und Spiritualität
Weitere Referate gaben Einblicke in die Arbeit muslimischer Feministinnen (Sa'diyya Shaikh) und die Arbeit mit Erinnerungen von Frauen in den ehemals sozialistischen Ländern Zentral- und Osteuropas (Miroslava Holubova), beleuchteten aktuelle Diskussionen zur Gender-Theorie (Anne Louise Erickson), sowie Rassismus und Konstruktionen des Weiß-Seins (Eske Wollrad) und zeigten das Potential dialogischer Imagination für feministische Theologien und Religionswissenschaft auf (Kwok Pui-Ian).
Gemeinsamen Liturgien - von der muslimischen Meditation bis zur ökumenischen Eucharistiefeier einer anglikanischen, einer alt-katholischen und einer protestantischen Priesterin - machten unterschiedliche spirituellen Zugänge, aber auch die selbstverständliche liturgische Leitungskompetenz von Theologinnen deutlich.
Globale Krise als spirituelle Krise - Leidenschaftlicher Einsatz für Veränderung
In Abschlussreferat der Konferenz benannte die englische Theologinnen Mary Grey die globale Krise als spirituelle Krise und unterstrich die Notwendigkeit des leidenschaftlichen Einsatzes für Veränderungen. Der Einsatz für weitreichend religiöse und gesellschaftliche Transformationen sei die wichtigste Aufgabe für Theologinnen heute.
Mit der Verabschiedung einer Resolution am Ende der Konferenz setzten sich die Teilnehmerinnen der Konferenz ganz in diesem Sinne für die zeitgemäße Vermittlung eines "freien und lebendigen Gottes" ein und kritisieren die anhaltende Identifikation Gottes mit dem männlichen Geschlecht in neuen christlichen Bibelübersetzungen und der jüngsten römisch-katholischen Liturgieinstruktion.
In einem Solidaritätsbrief an die internationale ökumenische Frauenordinationsbewegung WOW (Women's Ordination Worldwide) weisen sie jede Form des Ausschlusse von Frauen von Liturgie und Amt zurück und warnen vor Glaubwürdigkeitsverlust der Kirchen und Religionen, sollten diese Gaben und Kompetenzen von Frauen weiterhin mit Argwohn betrachten.
Internationalisierung und Institutionalisierung als Arbeitsschwerpunkte der neuen Präsidentin
Zur neuen Präsidentin der Gesellschaft wurde am Mittwoch, 22. 8. 2001, die österreichische Theologin Irmtraud Fischer gewählt. Fischer ist Professorin für Altes Testament und Frauenforschung an der Katholischen Fakultät Bonn und will sich als Präsidentin vor allem für eine weitere Internationalisierung in der Zusammenarbeit von Theologinnen einsetzen. Zugleich müsse, so Fischer, die Institutionalisierung feministischer Theologie in theologischen Fakultäten und Ausbildungsstätten verstärkt vorangetrieben werden.