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"Heilige Texte: Autorität und Sprache"

Von einer Mainstream-Perspektive aus gesehen geht es bei unserem Thema vor allem um Hermeneutik. Wie werden heilige Texte verschiedener religiöser Traditionen bedeutungsvoll und autoritativ für den Glauben und die Leben von heutigen Frauen und Männern? Das bedeutet aber nicht, dass es keine Fragen bezüglich den Beziehungen zwischen heiligen Texten, Autorität und Sprache zu stellen gäbe.

Um nur ein paar wenige dieser Fragen zu nennen: Warum nennen wir einen Text heilig, und wann? Kann die Bezeichnung "heilig" im Laufe der Zeit ändern? Was ist das Gegenteil von heilig? Profan oder un-heilig? Und was meinen wir, wenn wir das letztere sagen? Was macht einen Text autoritativ - der/die AutorIn, sein Inhalt, der Anspruch, dass er von Gott ist? Wie wird dieser letztgenannte Anspruch autoritativ, wer autorisiert? Wessen Interessen sind involviert? Wessen Sprache wird gesprochen? Wenn gender als vierter Begriff hinzugefügt wird, werden die Beziehungen der Begriffe heilige Texte, Autorität, Sprache aus den Angeln gehoben, denn heilige Texte wurden durch feministische Theologinnen als androzentrisch und frauenfeindlich kritisiert. Die Kanonisierung hat mündliche Traditionen und dadurch auch Stimmen von Frauen verschwinden lassen. Dieser letzte Prozess des Verschwindenlassens ist noch nicht beendet, wie post-koloniale Analysen der christlichen Missionstätigkeiten und der Rolle der Bibel in Afrika und Asien zeigen.

Für viele Frauen ist es deshalb schwierig, die Autorität heiliger Texte zu bejahen, weil dieser Affirmationsprozess mit Macht verbunden ist, vor allem mit der Macht, Frauenstimmen und -traditionen aus zu schließen. Sie hören das Argument von Heiligkeit eines Textes als Grenzziehung darüber, ob sie öffentlich auftreten dürfen und/oder an der Liturgie partizipieren, indem sie heilige Texte lesen, oder ob sie Texte auslegen dürfen. Das sind alles Manifestationen der Tatsache, dass "Frauen" und "Autorität" eine schwierige Verbindung darstellt. Autorität wird Frauen nicht leicht zugeschrieben, weder von Männern noch von Frauen. Viele Frauen suchen auch keine Autorität, da sie mit "Macht über" assoziiert wird. Diese Analyse lässt wiederum die Frage entstehen, was dies für das Hervorbringen von alternativen heiligen Texten von und für Frauen bedeuten würde. Ist die Idee eines heiligen Textes mit Feministischer Theologie unverträglich? Ist die Idee von autoritativen Texten zu fest verbunden mit dem Prozess des Ein-, resp. Ausschließens? Oder ist das Problem, dass Frauen es schwierig finden, einer anderen Frau Autorität zuzusprechen? Oder ist es ein Problem von Frauen, überhaupt Autorität zu beanspruchen, zu beanspruchen im Namen Gottes zu reden?

Diese Liste von Analysen und Fragen hat uns dazu geführt, das Thema der Konferenz in drei Teile für die Hauptreferate zu teilen: "Heilige Texte und Autorität" - "Autorität und (Körper)Sprache" - "Sprache und Heilige Texte". Solche Fragen wie die Heiligkeit von Bildern oder das Aus- und Einschließen durch Übersetzungen werden in den Hauptreferaten vermutlich nicht angeschnitten. Wir hoffen darum, dass sie in Kurzvorträge zur Sprache kommen. Darum laden wir die Mitgliedsfrauen der Gesellschaft herzlich ein, Vorschläge für Kurzvorträge ein zu reichen, die das Thema der Konferenz oder eine oder mehrere der genannten Fragen aufnehmen.

Für die Vorbereitungsgruppe:
Dr. Anne Claire Mulder
Dr. Magda Misset-van de Weg
Drs. Mirjam Vermeij
Drs. Willien van Wieringen

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